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Die 15-Minuten-Stadt – Platz für Mensch, Kultur und Grün

Stellen Sie sich vor, Sie hätten Arbeitsplatz, Supermarkt und Gemüsehändler, Büro, Kino und Fitnessstudio, Grünflächen, Schulen, ärztliche Versorgung, Behörden, Handwerker, Cafés und Restaurants direkt vor Ihrer Haustüre.

Die Vorteile sind offensichtlich. Sie – und alle Mitbewohner*innen würden viel Zeit sparen, denn lange Anfahrtswege ins Büro, für die tägliche Versorgung oder ins Grüne fielen weg. Autoverkehr würde damit zu einem großen Teil überflüssig, was die Luftqualität verbessern, die Lärmemissionen reduzieren und das Klima schonen würde.

Dieses Szenario sieht die 15-Minuten-Stadt vor. Alle Grundbedürfnisse können innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad befriedigt werden. Eine weitgehend autofreie Stadt bietet Ruhe und Erholung und auch soziale Eingebundenheit.

Die Idee gewinnt in Zeiten des Klimawandels immer mehr an Bedeutung und erfordert ein radikales Umdenken in der Stadtplanung. Autos sollten möglichst aus den Städten raus und Freiflächen, Fahrradwege und öffentlicher Nahverkehr sollten ausgebaut werden.

Stadt der kurzen Wege

Das Konzept der sogenannten 15-Minuten-Stadt hat Carlos Moreno, Städteexperte und Professor der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne, bereits 2016 vorgestellt – und während der Coronazeit wurde es immer relevanter. Eine lebendige Nachbarschaft, eine gute Infrastruktur und Freiflächen haben eine neue Bedeutung bekommen, als Ausgangssperren und Reiseverbote uns mehr an den unmittelbaren Wohnort gebunden haben. Damit diese Idee funktioniert, müssen laut Moreno vier Funktionen erfüllt werden.

  1. Bedürfnisse müssen in unmittelbarer Nähe befriedigt werden können, damit lange Wege vermieden werden.
  2. Die Angebote sollten vielfältig sein, damit alle Bedürfnisse unterschiedlicher Bevölkerungsschichten abgedeckt werden.
  3. Es muss eine hohe Dichte an Menschen innerhalb der Quartiere geben, damit die Nachfrage hoch genug ist.
  4. Das Konzept muss sich über das ganz Quartier erstrecken, damit es für alle erschwinglich und erreichbar ist.

Morenos Konzept sieht ebenfalls vor, dass Räume doppelt genutzt werden – Turnhallen könnten abends zum Beispiel in Clubs verwandelt, Co-Working-Spaces für Vereine oder Cafés für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden.

Paris setzt die Idee konsequent um

Ganz mutig – auch gegen viele kritische Stimmen – hat die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo diese Idee aufgegriffen. Die Sozialistin hat in ihrer bisherigen Amtszeit Autos vom Seine-Ufer verbannt, den Ausbau von insgesamt 650 Kilometer Fahrradwegen gefördert und 190.000 Bäume in der gut elf Millionen Einwohner*innen zählenden Metropole gepflanzt. Personen, die ein Gewerbe betreiben, und Personen mit eingeschränkter Mobilität dürfen das Auto weiterhin nutzen.

Kritiker*innen bemängeln, dass Vororte in der zweitgrößten Stadt Europas nicht berücksichtigt würden und sich das Verkehrsproblem an den Rand der Städte verlagern würde.

Dennoch findet die Idee viele Nachahmer auf der ganzen Welt. Oslo, Birmingham, New York, Madrid, Hamburg und Bochum experimentieren bereits mit dem Konzept der 15-Minuten-Stadt.

Ist das auch in München angedacht?

„Wir haben mit unserem Modell-Quartier Eggarten-Siedlung die 15-Minuten-Stadt im Sinn“, sagt Rüdiger Schätzler von CA Immo. „Damit dies funktioniert, müssen wir vielfältige und attraktive Angebote für Anwohner*innen schaffen.“

Geplant in der Eggarten-Siedlung sind aktive Erdgeschosszonen mit multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten für zum Beispiel Yogastudios, ein Quartiers-Café, Musikräume, Co-Working-Spaces und Einzelhandel. Durch den niedrigen Stellplatz-Schlüssel wird ein autoarmes Quartier entstehen, mit viel Mobilitätsangeboten und Freiraum. Eine Quartierszentrale wird nachbarschaftliche Bedürfnisse wie Sharing, Tausch, Wohnungsveränderung oder sogenannte Jokerzimmer managen. Außerdem sind Quartiers-Plätze mit Veranstaltungsmöglichkeiten, Treffpunkten und Wochenmärkten vorgesehen. Es wird Flächen für Urban Farming sowie Sportangebote auf den Freiflächen des Schulgrundstücks geben. „Es soll eine interessante Mischung und ein Anziehungspunkt für umliegende Bewohner*innen werden – über die Eggarten-Siedlung hinaus. Der städtische Raum muss in Zukunft anders und kreativer verteilt werden“, fügt Rüdiger Schätzler hinzu.

 

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