Ein Interview mit Bernd Schreyer
Wenn jemand etwas über Wohnen in München und Quartiersmanagement sagen kann, dann Bernd Schreyer. Integrierte Wohn- und Wohnumfeldstrukturen waren schon in seinem beruflichen Kontext als Sozialplaner in der Stadtverwaltung sein großes Thema und er hat Quartiersmanagement in vielen Münchner Wohngebieten angeregt und mitgestaltet.
Für die Eggarten-Siedlung hat der Grünenpolitiker zusammen mit der SPD/Volt-Fraktion im März 2023 einen Stadtratsantrag gestellt, um gemeinsam mit uns Projektbeteiligten ein Quartiersmanagement inklusive eines Nachbarschaftstreffs einzurichten.
Warum Quartiersmanagement ein wichtiger Hebel ist, damit eine gesunde und lebendige Nachbarschaft in bestehenden und neuen Wohngegenden entsteht, darüber haben wir uns mit dem Stadtrat unterhalten.
Was sollte das Quartiersmanagement erfüllen?
Im Idealfall gibt es vor Ort einen Nachbarschaftstreff und -hilfen, Lernunterstützung, Tauschbörsen, Mobilitätsstationen, die ein Auto verzichtbar machen, Nahwärmenetze oder Quartierskonzepte für Sanierung, Photovoltaik und den adäquaten Einsatz erneuerbarer Energien, haushaltsnahe Dienstleistungen und Angebote, besonders auch im Kulturbereich oder Räume für kleine Start-up-Unternehmen.
Eine gutes Quartiersmanagement unterstützt den sozialen Zusammenhalt im Wohnquartier. Wenn man sich kennt und gemeinsam etwas schafft, wächst die Identität mit dem Wohnort und die Zufriedenheit steigt.
Für ein Neubaugebiet wie die Eggarten-Siedlung ist es eine große Chance, dass von Anfang an ein offenes Miteinander unter den Bewohnerinnen und Bewohnern und auch den Anwohnerinnen und Anwohnern gibt.
Ob arm oder reich – Teilhabe, auf Augenhöhe mitgenommen zu werden, sich einmischen zu können – diese Chance bietet ein gutes Quartiersmanagement. Grundsätzlich ist es auf der Makroebene, dazu zähle ich Bund, Land, Stadt, schwerer mitzugestalten als in einem Quartier, in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Sie waren maßgeblich an der Entwicklung des Quartiersmanagement beteiligt, was überzeugt Sie an diesem Instrument?
Ich war um die Jahrtausendwende im Sozialreferat in der Sozialplanung beschäftigt und damals kam die Studie „Überforderte Nachbarschaften“ heraus, die beschrieb, dass Anonymität und Isolation von Haushalten, verbunden mit einseitigen Belegungsstrukturen in Quartiers-Häusern zu Segregation und Überforderung in der Nachbarschaft führt.
Bereits in jungen Jahren war ich von der Wirksamkeit einer (politischen) Gemeinwesenarbeit, insbesondere in Vierteln mit einem großen Anteil ärmerer Haushalte überzeugt. Jedenfalls erhielt ich in Zusammenhang einer Debatte über „ausgewogene Mieterstrukturen“ den Auftrag, ein Konzept für eine quartierbezogene Bewohnerarbeit zu entwickeln.
Daraus entstanden dann die Münchner Nachbarschaftstreffs, inzwischen gibt es 54 im Stadtgebiet. Voraussetzung war, dass auch ein relevanter Anteil an geförderten Wohnungen im Quartier entsteht oder im Bestand ein Handlungsbedarf erkennbar ist. Gleichzeitig wurde auf Bund-Länder Ebene das Programm „Soziale Stadt“ aufgelegt, das städtebauliche Investitionen in das Wohnumfeld, die Infrastruktur und die Qualität des Wohnens verbessern sollte. Vorrangiges Ziel war und ist auch hier, in den betreffenden Quartieren den sozialen Zusammenhalt und die Integration aller Bevölkerungsgruppen zu verbessern
Warum unterstützt die Stadt München das Quartiersmanagement?
München zählt zu den teuersten Städten in Deutschland. Hier können Menschen sehr schnell in Not geraten. Da kann eine Unterstützung im Quartier und ein gutes Miteinander dafür sorgen, dass einzelne besser aus einer Krise kommen.
Wir sehen es vorrangig als Aufgabe der Stakeholder in einem Quartier – Genossenschaften, Bauherren, Konsortien -, ein Quartiersmanagement aufzubauen und dieses mit einem Trägerverein und mit tragbarer finanzieller Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner zu betreiben.
Die Landeshauptstadt unterstützt vor allem im Rahmen der Städtebauförderung, des Stadtteilmanagements in großen Neubaugebieten aber auch durch Nachbarschaftstreffs die quartierbezogene Arbeit aus der Erfahrung, dass diese dem sozialen Zusammenhalt, der Integration und Inklusion, der Unterstützung in Not, Krise und Einsamkeit, der Teilhabe aller Bewohnerinnen und Bewohner dient. Sie ist – neben der Münchner Mischung – einer der wirksamsten Instrumente zum Erhalt des sozialen Friedens in München.
Können Sie uns ein Praxisbeispiel aus München für gelungenes Quartiersmanagement geben?
Der Begegnungsort „Unter den Arkaden“ im Stadtteil Harthof ist eines der ärmsten Viertel Münchens mit einem hohen Migrationsanteil. Der Bewohnertreff ist aus einem Nachbarschaftstreff und Lernhilfen entstanden. Er bietet beispielsweise Beratung, Formularhilfen, Begleitgänge zu Behörden, Lebensmittelverteilung, Spielabende, Urban gardening, offenes Bücherregal, Tauschbörsen und Kulturprogramme an. Insgesamt funktioniert dieses Viertel und es gibt viele positive Rückmeldungen der Hausverwaltung und den Bewohnerinnen und Bewohnern.
Was kann das Quartiersmanagement in Sachen Klimaschutz ausrichten?
In den letzten Jahren hat sich der Quartiersgedanke um den Aspekt Klimaschutz erweitert. Es ist ein wichtiges Tool, um sich gemeinsam dem Klimawandel und den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Dazu zählt gemeinsame Sanierung, Schaffung von alternativer Energieversorgung und neue Mobilitätskonzepte. Im Zusammenhang mit dem Quartiersmanagement Aubing – Westkreuz durch die Münchner Gesellschaft für Sanierung (MGS) ist es gelungen die Sanierungsquote bei den Altbestand-Eigentümern von ein auf vier Prozent jährlich zu erhöhen – bisher liegt der Schnitt in München bei einem Prozent.